10/12/2022

Die SOPHIA Studie 2022 auf dem Forum des 100 vorgestellt

In der Ausgabe 2022 unserer bekannten SOPHIA Studie wird ausnahmsweise nicht einziges Thema vertieft, sondern gleich mehrere, für die Schweiz aktuelle Fragen behandelt: die kommenden eidgenössischen Wahlen, die Beziehungen zur Europäischen Union (EU), Energieversorgung, nachhaltige Entwicklung und Cybersicherheit. Die Fragen, welche der Bevölkerung und den Leadern der Schweiz gestellt wurden, waren vielfältiger als sonst... und die Antworten dementsprechend interessant. Hier ein Überblick.

Die Studie SOPHIA 2022, deren Ergebnisse am 11. Oktober anlässlich des von der Zeitung Le Temps organisierten Forums des 100 veröffentlicht wurden, befragte 327 Leader (aus Wirtschaft, Politik, usw.) und eine repräsentative Stichprobe von 1559 Personen aus der Schweizer Bevölkerung. Während die Meinungen dieser beiden Zielgruppen bei einer Reihe von Themen (EU-Beitritt, Umsetzung der Energiestrategie 2050, Cybersicherheit) übereinstimmen, weichen sie bei anderen Fragen stark voneinander ab.

Eidgenössische Wahlen 2023: Unterschiedliche Anliegen bei Leadern und Bevölkerung

In der Bevölkerung ist die Hauptsorge die Gesundheit und die Krankenversicherung, was nicht überraschend und schon seit mehreren Jahren der Fall ist: Bereits im Spätsommer 2022, als wir die Bevölkerung befragten, wurde ein Anstieg der Versicherungsprämien um 10% angekündigt. Auf der Seite der Leader hingegen findet sich dieses Thema erst an fünfter Stelle.

Ein weiterer grosser Unterschied ist das Thema EU, welches bei den Leadern ein sehr präsentes Anliegen ist (bei 37% der Befragten unter den ersten drei Nennungen), während es in der Bevölkerung an vorletzter Stelle steht. Bei der Thematik der Energieversorgung scheinen sich beide Zielgruppen hingegen einig zu sein (unter den ersten drei Nennungen bei 67 % der Leader und 49 % der Bevölkerung).

Keine Bereitschaft, das Thema EU-Beitritt wieder aufzunehmen

In Bezug auf die Beziehungen zur EU ist es zunächst interessant, festzustellen, dass nur ein Drittel der Bevölkerung der Ansicht ist, dass es falsch war, dass der Bundesrat die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen abgebrochen hat, während es bei den Leadern fast doppelt so viele sind (71%). Ähnliche Resultate ergeben sich, wenn man von den Befragten wissen möchte, wie besorgt sie bezüglich den derzeitigen Beziehungen der Schweiz zur EU sind: In der Bevölkerung sind 35% besorgt (nur 6% "sehr besorgt"), während bei den Leadern 30% der Befragten angeben, sehr besorgt zu sein und 44% ziemlich besorgt.

Die Leader und die Bevölkerung sind sich hingegen weitgehend einig, dass bei den Verhandlungen mit der EU die wirtschaftlichen und sozialen Interessen Vorrang vor Souveränitätsfragen haben müssen.

Beide Zielgruppen sind zudem der Meinung, dass die Schweiz nicht Mitglied der NATO werden sollte und es nicht ratsam ist, das Dossier zu einem EU-Beitritt wieder hervorzuholen  (sowohl bei den Leadern, als auch in der Bevölkerung sind 37% vollkommen dagegen).

 

Beim brisanten Energie-Thema ist die Bevölkerung weniger besorgt als die Leader

Obwohl in den letzten Monaten viel über eine Energieknappheit gesprochen wurde, welche das Land in Zukunft treffen könnte, fürchtet die Bevölkerung mehrheitlich keinen Blackout in den nächsten 10 Jahren. Auf der Seite der Leader ist diese Besorgnis ausgeprägter, vor allem auf kurze Sicht (58% geben an, dass sie einen Blackout in den nächsten zwei Jahren befürchten).

Ein ähnlicher Trend zeigt sich bei der Frage der Energieversorgung: 69% der Leader sind besorgt, während es in der Bevölkerung nur 57% sind.

Beide Zielgruppen geben jedoch vergleichbare Antworten auf die Frage, ob die Schweiz es schaffen wird, die Energiestrategie 2050 umzusetzen... Und die Befragten geben sich dabei eher pessimistisch: 63% der Leader und 58% der Bevölkerung glauben, dass es der Schweiz wahrscheinlich oder sicher nicht gelingen wird.

Interessant ist ausserdem, dass sowohl die Leader, als auch die Bevölkerung mit grosser Mehrheit (74% und 69%) angeben, dass sie seit Beginn des Krieges in der Ukraine auf ihren Energieverbrauch achten. Personen, die sich politisch eher links verorten, scheinen im Vergleich zu jenen auf der rechten Seite und der Mitte etwas mehr auf ihren Verbrauch zu achten. Überraschenderweise scheinen jüngere Menschen zwischen 18 und 44 Jahren weniger auf ihren Energieverbrauch acht zu geben als ältere (45+ Jahre).

Die Schweiz und die Nachhaltigkeit

Eine grosse Mehrheit der Befragten ist besorgt über die Folgen der globalen Erwärmung für das Land (nur 17% der Leader und 25% der Bevölkerung geben an, zuversichtlich zu sein). Um dieser Herausforderung zu begegnen, ist laut beiden Zielgruppen die Wissenschaft am ehesten in der Lage, Lösungen anzubieten, gefolgt von den Umweltverbänden. Multinationale Unternehmen geniessen in dieser Hinsicht nicht das Vertrauen der Befragten.

Auch der Bundesrat hat offenbar bei der Verminderung des Verbrauchs umweltschädlicher Energien eine Rolle zu spielen, da eine grosse Mehrheit der Befragten der Meinung ist, dass er in dieser Frage Gesetze erlassen sollte. Dieser Konsens ist noch ausgeprägter, wenn es um den Verbrauch der Unternehmen geht, welcher nach Meinung von 68 % der Leader und 72 % der Bevölkerung reglementiert sollte.

 

Eine neue, schnell wachsende Bedrohung: Die Cyberkriminalität

Fast ein Drittel der Befragten gibt an, schon einmal Opfer eines Virus, von Hacking, eines Datendiebstahls, einer Lösegeldforderung oder einer Blockierung von IT-Werkzeugen gewesen zu sein. Diese Bedrohung ist also ziemlich alltäglich geworden und gleichzeitig scheint es an Schutz davor zu mangeln: In beiden Zielgruppen sind fünf bis sechs von zehn Befragten der Meinung, dass sie nicht ausreichend vor Cyberangriffen geschützt sind und fast niemand ist vom Gegenteil überzeugt.

Leader und Bevölkerung sind sich ausserdem völlig darin einig, dass die breite Öffentlichkeit nicht ausreichend für die Cybersicherheit sensibilisiert ist. In beiden Zielgruppen äussern sich 70% bis 80% der Befragten in diesem Sinne.

Die Schweiz und die Zukunft

Ist die Schweiz gut aufgestellt, um die kommenden Herausforderungen zu meistern? In den Augen der Leader und der Bevölkerung lautet die Antwort darauf «eher ja». Die Schweiz wird zum Beispiel eher als ein Land gesehen, in welchem "alles möglich ist", statt als eines, in dem es kompliziert ist, innovativ zu sein.

Obwohl die grosse Mehrheit offenbar für die nahe Zukunft gewisse Befürchtungen hegt und diese Tendenz im Vergleich zu 2020 zunimmt, wird das politische System der Schweiz von 83% der Leader und 73% in der Bevölkerung weiterhin als geeignet betrachtet. Die Schweiz wird auch in Bezug auf Lebensqualität, Arbeitslosigkeit und Beschäftigung, Bildung, Sicherheit, soziale Sicherheit, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Berücksichtigung der Umwelt besser eingeschätzt als andere Länder.   

 

Über die Studie

Die Studie konsultierte wie jedes Jahr zwei verschiedene Zielgruppen: Zum einen die breite Bevölkerung ab 18 Jahren, von der 597 Personen aus der Romandie, 693 aus der Deutschschweiz und 269 aus dem Tessin befragt wurden. Die Disproportionalität ermöglicht es, der Fehlermarge für jede Sprachregion zu minimieren (±4% für die Romandie, ±3,7% für die Deutschschweiz und ±6% für das Tessin). Durch eine statistische Gewichtung wird für die Analyse das tatsächliche demografische Gewicht der drei Regionen berücksichtigt (Fehlermarge für die Gesamtergebnisse: ± 2%). Die im Total 1559 Personen wurden vom 8. bis 23. August 2022 mithilfe eines Onlinefragebogens befragt.

SOPHIA befragte ausserdem 327 Opinion Leader, welche in der Schweiz tätig sind. Sie wurden aufgrund ihrer Rolle, die sie im öffentlichen Leben der Schweiz einnehmen, ausgewählt. Für eine optimale Repräsentativität kommen sie aus der Wirtschaft, der Verwaltung, der Wissenschaft und Bildung, der Kultur und der Politik. Sie stammen aus der lateinischen oder der Deutschschweiz, ein Drittel ist international tätig und ein weiteres Drittel übt ein politisches Mandat auf kommunaler, kantonaler oder eidgenössischer Ebene aus. Sie wurden von Juni bis August 2022 mithilfe eines Online- oder Papierfragebogens befragt. Die maximale Fehlermarge für diese Stichprobe liegt bei ± 5,4%.

An Studien Teilnehmen